Von Zufällen, die wieder beleben

AUF DEN SPUREN EINER ROSENKRANZBRUDERSCHAFT IN BAYERN

Mein Name ist Katrin Betz und ich bin seit 2019 die Mesnerin der Kirche Mariä Himmelfahrt in Oberostendorf im Ostallgäu. Ich bin verheiratet und habe drei Kinder. Neuerdings gehöre ich auch zur dominikanischen Familie, zu der mich der Rosenkranz geführt hat. Aber der Reihe nach…

Der Rosenkranz liegt mir sehr am Herzen, seit mehreren Jahren bete ich ihn jeden Tag gerne, für mich und auch in der Familie. Meine Vorgängerin im Mesneramt musste ihren Dienst kurzfristig auf-geben, und ich sprang ohne richtige Vorbereitung ins kalte Wasser. So waren für mich die ersten zwei Jahre in dieser Kirche sehr spannend. Dadurch bekam ich aber bald Gelegenheit, eigene Akzente zu setzen und beim Aufräumen längst verloren geglaubte Gegenstände wieder zu entdecken. Zum Beispiel haben wir das Heilige Grab am Karfreitag nach ca. 60 Jahren Ruhepause wiederaufgebaut, was bei einigen älteren Dorfbewohnern schöne Kindheitserinnerungen geweckt und auch viele jüngere Menschen begeistert hat. Auch sind alte Reliquienschreine, ein zweiter Auferstehungschristus, zwei Kelche und ein besonders schönes Heilig-Öl-Gefäß zum Vorschein gekommen.

Im Herbst 2022 bekam die Pfarrei Besuch von Frau Mäder vom Bistum Augsburg, die für unsere Kirche eine Inventarliste der Kunst- und Wertgegenstände anlegen musste. Bei einer besonders schönen Monstranz bemerkte Frau Mäder, dass diese wohl von der Rosenkranzbruderschaft gestiftet worden war, da die Mutter Gottes einen geflochtenen Kranz aus Rosen im Haar trägt. Am zweiten Tag der Inventur wurden wir etwas früher fertig und Frau Mäder fragte, ob sie noch im Archiv, das sich im Raum über der Sakristei befindet, stöbern dürfte. Dort werden unter klimatisch recht günstigen Bedingungen unter anderem Dokumente aus dem früheren Pfarrarchiv aufbewahrt, die beim Abriss des alten Pfarrhofs Anfang der neunziger Jahre nicht in das Diözesanarchiv in Augsburg verlagert worden waren.

Sie hoffte aufgrund des vorher erwähnten Hinweises, vielleicht Näheres über eine Rosenkranz-bruderschaft herauszufinden. Mit zielsicherem Blick sah sie an exponierter Stelle auf einem hohen Schrank ein Buch, das sich tatsächlich als das Mitgliederbuch der Rosenkranzbruderschaft entpuppte. So wurde sie schon beim ersten Griff fündig!

Das Buch befindet sich in einem sehr guten Zustand, ist in geprägtes Schweinsleder gebunden, die Seiten sind mit Wasserzeichen und Goldschnitt versehen. Auf dem Vorsatzblatt steht in sehr schöner lateinischer Zierschrift zu lesen, dass die Bruderschaft am 8. November 1626 von Prior Gregorius Eckle vom Dominikanerorden in Augsburg gegründet wurde.

Zum Glück wurde das Vorhaben, das Buch künftig an einem klimatisch ungeeigneten Ort zu lagern, von fachkundiger Seite verhindert, so dass es an seinem bisherigen Platz bleiben darf. Um das wertvolle Original zu schonen, wurde außerdem für die künftigen Eintragungen ein ganz neues Bruderschaftsbuch angelegt.

Gut 6300 Gläubige haben sich von der Gründung bis in die 1960er Jahre eintragen lassen. Es fällt auf, dass an Frauennamen größtenteils Anna, Barbara und Maria zu finden sind. Das ursprüngliche Bruderschaftsbuch ging wohl im Dreißigjährigen Krieg verloren. Die Wiederbelebung mit Neuanlage des Bruderschaftsbuches erfolgte erst lang nach dem Ende des Krieges im Jahr 1685. Die letzten Eintragungen wurden 1964 mit Kugelschreiber vorgenommen. Das „Andachtsbündnis“ hat für uns anfangs einige Fragen aufgeworfen, schon wegen der verwendeten Begriffe. Es war die Rede vom „wöchentlichen Psalter“, der zu beten sei, vom „Dreißiger Gebet“, vom „Monatssonntag“ und außerdem den Ablässen, die teils umständlich zu erlangen waren.

Wir haben dann auf der Grundlage der historischen Version innerhalb der Bruderschaft zwei Entwürfe für eine zeitgemäße Satzung ausgearbeitet und zusätzlich bei der Diözese um Unterstützung gebeten. Herr Dr. Düren hat aus der alten Satzung und unseren Entwürfen eine sehr ansprechende neue Satzung gestaltet. Am 12. Juli 2023 haben wir vom Bistum Augsburg das Imprimatur und eine notarielle Beurkundung dafür bekommen. Die Satzung liegt zusammen mit kostenlosen Rosenkränzen in der Kirche aus. Als zusätzliche Werbung haben wir außerdem Visitenkarten drucken lassen. Früher wurde für die Mitglieder des Andachtsbündnisses eine Hl. Messe im Monat gefeiert. Dies haben wir wieder eingeführt.

In unserer näheren Umgebung gibt es übrigens bis heute zahlreiche weitere aktive Rosenkranz-bruderschaften: zum Beispiel in Bad Wörishofen (16 km entfernt), Jengen (7 km), Honsolgen (11 km), Buchloe (12 km), Leeder (8 km).

Nun stellte sich die Frage, wie wir die Bruderschaft bekannt machen und Mitglieder gewinnen können. Nach anfänglichen Bedenken durften wir mit pfarramtlicher Genehmigung eine öffentliche Informationsveranstaltung zur Rosenkranzbruderschaft mit Vortrag über die historischen Hintergründe im Rathaus in Oberostendorf abhalten (Referent Ulrich Reißner). Auch wurde ein zugehöriger Beitrag in den Pfarrbrief aufgenommen. Die anfangs in der Bevölkerung spürbare Skepsis gegenüber der als „erzkonservativ“ wahr-genommenen Rosenkranzbruderschaft hat sich inzwischen weitgehend gelegt.

Bei der Internetsuche fand ich einen gemeinsamen Auftritt verschiedener Rosenkranzbruderschaften auf Wikipedia. Um dort miterscheinen zu dürfen, brauchten wir eine eigene Internetseite. Gemeinsam mit meinem Mann habe ich deshalb unsere Internetseite (maria-himmelfahrtskirche.de) erstellt.

Unsere Kirche Mariä Himmelfahrt (früher Mariä Schmerzen) ist stark von den Dominikanern geprägt (siehe auch die Gründungsgeschichte der Bruderschaft). So stehen im Altarraum Figuren des hl. Dominikus, des hl. Thomas von Aquin, der hl. Katharina von Siena und der hl. Rosa von Lima. In der Mitte des Langhauses befindet sich ein großes Deckenfresko der Muttergottes, wie sie aus dem Himmel dem hl. Dominikus und der hl. Katharina von Siena den Rosenkranz überreicht, unter Huldigung der damals bekannten vier Erdteile. Die aufwendige Ausführung durch einen renommierten Kirchenmaler kann als Hinweis auf die Finanzierung durch die Rosenkranzbruderschaft gesehen werden.

Aufgrund der engen Verbindung der Kirche zum Dominikanerorden nahm ich Verbindung auf zum bis heute bestehenden Dominikanerkonvent in Augsburg. Dankenswerterweise erklärte sich P. Dr. Paul D. Hellmeier bereit, am 7. Oktober 2023 bei uns die Hl. Messe zu zelebrieren und mit uns das Rosenkranzfest in unserer Kirche zu feiern.

Zwischenzeitlich stellte sich die Frage, ob wir das Bruderschaftsfest im Rosenkranzmonat Oktober oder zum Gründungsjubiläum im November feiern sollten. Der 8. November 1620 ist der Gedenktag der „Schlacht am weißen Berg“, der damals errungene Sieg der katholischen Truppen vor Prag wurde der wundersamen Hilfe unserer Himmelskönigin zugeschrieben. Unsere Bruderschaft wurde vermutlich deshalb sechs Jahre später am gleichen Tag gegründet. Leider führte der damalige Sieg nicht zum erhofften Ende des Krieges, der dann als der Dreißigjährige Krieg in die Geschichte einging.

Wir haben uns schließlich entschieden, dieses Fest immer am Gründungsjubiläum im November zu feiern. So konnten wir heuer am Sonntag, 10. November 2024 zum zweiten Mal mit P. Paul zur großen Freude aller Gläubigen eine feierliche und außergewöhnlich gut besuchte Hl. Messe zum Rosenkranzbruderschafts-Fest feiern. Die spannende und kurzweilige Predigt kam sehr gut an.

Mittlerweile haben wir 55 Bruderschafts-Mitglieder aus allen Teilen Deutschlands, je eine Eintragung kommt aus Dänemark, Pakistan und Südtirol. Mit den Dominikanern fühle ich mich in-zwischen so stark verbunden, dass ich am 22. Juni 2024 ins Noviziat bei deren Laienorganisation in Wettenhausen eingetreten bin.

Text und Fotos: Katrin Betz und Ulrich Reißner