Im 12./13. Jahrhundert befand sich die katholische Kirche in einer tiefen Glaubwürdigkeitskrise. Lebenswandel und Machtorientierung meist hochrangiger Kirchenvertreter waren aus Sicht vieler Glaubender unvereinbar mit der Lehre Jesu. Einige von ihnen stellten daher die spirituelle und weltliche Autorität der Kirche in Frage.
Neue geistliche Bewegungen entstanden, sowohl innerhalb der Kirche (zum Beispiel die Zisterzienser), als auch außerhalb. Die größte außerkirchliche Bewegung bildeten die Katharer, zu denen Menschen aus allen Bevölkerungsschichten strömten. Da sie sich sowohl durch das Vertreten abweichender religiöser Inhalte als auch durch den Aufbau eigenständiger Strukturen von der römisch-katholischen Kirche abgrenzten, wurden die Katharer von der Kirche als Abtrünnige verfolgt.
Auch der Priester und Stiftsherr Dominikus, 1170 im spanischen Caleruega geboren, sah mit Sorge das Verhalten etlicher Kleriker. Gleichzeitig war er von der Einsetzung der Kirche als Instrument der Verkündigung Gottes überzeugt und davon, dass jeder Mensch sein Seelenheil nur innerhalb dieser eingesetzten Kirche erlangen kann. Es war daher sein Anliegen, Menschen, die sich von der Kirche losgesagt hatten, durch Gespräch und Vorbild zu bewegen, in die Kirche zurückzukehren.
Zu diesem Zwecke gründete er im Jahr 1215 den Orden der Prediger und es gelang ihm und den Brüdern, die sich ihm anschlossen, viele Gläubige wieder in die Kirche zurückzuführen. Viele von ihnen sammelten sich um Dominikus und seine Brüder und ließen sich an den jeweiligen Konventen nieder, um als Laien (von griech. laos = Volk) mit den Brüdern zu leben und sie zu unterstützen. Das stieß auf positive Resonanz bei den Predigerbrüdern, die sich darum bemühten der Anbindung der Laien an den Orden eine identitätsstiftende und verbindliche Form zu geben.
1285: Munio von Zamora OP, siebter Ordensmeister der Predigerbrüder, gilt als »Gründervater« der Dominikanischen Laien. Er verfasst die ersten Anordnungen (ordinationes) für eine Gemeinschaft der Schwestern von der Buße des Heiligen Dominikus in Orvieto. Diese wird zur Grundlage der sogenannten Drittordensregel, die 1405 von Papst Innozenz VII bestätigt wurde, und die nun auch explizit die „Brüder und Schwestern“ der Laien umfasst.
1965: Nach dem II. Vatikanischen Konzil wird die deutsche Übersetzung der Regel für die Laien sprachlich überarbeitet. Mit Zustimmung der Ordenskurie soll sie zunächst für zehn Jahre, dann „bis auf Weiteres“ für den gesamten deutschsprachigen Raum gelten.
1977: Gegen Ende der 1970er Jahre kommt es im Rheinland zu Neugründungen von Laiengruppen. Diese neuen Laien machen 1980 zum Generalkapitel der Predigerbrüder in Walberberg (nahe der damaligen deutschen Hauptstadt Bonn) eine Eingabe mit der Bitte, den Regeltext zu reformieren und dem 20. Jahrhundert anzupassen. Diese Bitte wird vom damaligen Ordensmeister Vincent de Couesnongle OP aufgenommen.
1983: Auf einem Symposion des Dominikanerordens in Bologna beschließen Vertreter der drei Ordenszweige aus aller Welt, die bisherige Bezeichnung Erster, Zweiter und Dritter Orden aufzugeben, um nicht länger eine Rangfolge zwischen den Ordenszweigen zu bilden und fortan von der „Dominikanischen Familie“ (Brüder, Nonnen, Schwestern und Laien) zu sprechen. Am Rande des Treffens stellt der Ordensmeister in Aussicht, ein internationales Treffen der Laien einzuberufen, dessen einzige Aufgabe es sein wird, die Ordensregel für die Laien neu zu fassen.
1985: Der erste Internationale Kongress der Dominikanischen Laiengemeinschaften findet in Montreal, (Kanada) statt. In neun Arbeitsgruppen werden Inhalte und Formulierungen für eine zeitgemäße Ordensregel erarbeitet. In der finalen Abstimmung im Plenum des Kongresses erhalten der Ordensmeister und seine Kurie Beschlussvorlagen für eine neue Fassung der Regel, die in der weiteren Bearbeitung in Rom mit Kirchenrechtlern so geschrieben werden soll, dass sie den Menschen des ausgehenden 20. und kommenden 21. Jahrhunderts entspricht. Dabei soll die ursprüngliche Idee ihres Begründers Munio von Zamora nicht verwässert werden.
Darüber hinaus wird beschlossen, dass sich die Laien weltweit vernetzen und neben der Arbeit in den Provinzen auch für jeden Kontinent eine eigene Vertretung der Laien gegründet werden soll. Für Europa ist dies das „European Council of Lay Dominican Fraternities” (ECLDF/ Europäischer Rat Dominikanischer Laien). Auch interkontinental gibt es seitdem eine entsprechende Arbeitsgruppe, die aus jeweils einem Mitglied pro Kontinent besteht, das „International Council of Lay Dominican Fraternities“ (ICLDF). Diese Arbeitsgruppen treffen sich einmal im Jahr. Kontinentale Kongresse finden alle drei, internationale Laienkongresse alle zehn Jahre statt. Alle Teilnehmer werden – wie im Dominikanerorden üblich – entsprechend ihren Statuten auf Zeit gewählt.
1987: Die neue „Regel der Dominikanischen Gemeinschaften im Orden des Hl. Dominikus“ wird am 16. Februar vom Ordensmeister Damian Byrne OP in Kraft gesetzt und ist seitdem gültig. Sie kann durch eine „Allgemeine Erklärung des Ordensmeisters“ (AEO) ergänzt werden, wenn dies mit der Ordenskurie beschlossen wird. Auch die Laien haben das Recht, Eingaben an das Generalkapitel der Brüder zu machen, soweit es ihre Belange betrifft. Die Laien der beiden deutschsprachigen Provinzen erarbeiten neue Direktorien (Ausführungsbestimmungen) dafür.
Ein weiteres Novum: Erstmals werden Vertreter der Nonnen, Schwestern und Laien zu den Provinz- und Generalkapiteln der Brüder eingeladen. Dort können sie im Plenum und in einer Kommissionen mitarbeiten.
2024: Mit dem Tag der Fusion der beiden bisherigen deutschsprachigen Provinzen zur neuen gemeinsamen „Dominikanerprovinz des Hl. Albert in Deutschland und Österreich“ tritt das von den Laien beider bisheriger Provinzen erarbeitete neue Direktorium in Kraft. Dazu gehören auch die Laien aus Ungarn, da die ungarischen Dominikaner von diesem Tag an als Vikariat Teil der neuen Provinz sind.
Aktuell gibt es in 175 Ländern weltweit fast 130.000 Laiendominikaner und Laiendominikanerinnen in rund 2.200 Fraternitäten. In der Provinz des Hl. Albert in Deutschland und Österreich sind es rund 180 Laiendominikaner und Laiendominikanerinnen in 17 Fraternitäten und assoziierten Gemeinschaften.
Das II. Vatikanische Konzil hat auch auf Betreiben der Dominikaner die Stellung der Laien neu bewusst gemacht. Laien sind dazu berufen, die Gegenwart Christi in den Völkern lebendig zu halten und dazu beizutragen, dass „die Menschen überall auf der Erde die Heilsbotschaft Gottes erkennen und annehmen können“. (Dekret über das Laienapostolat des II. Vatikanischen Konzils)
Von Vincent de Couesnongle OP, Ordensmeister 1974 bis 1983, ist überliefert: Ohne die Laien stehen die Dominikanerbrüder „allein vor der Welt, die sie evangelisieren sollen und deren Situation, Sehnsüchte, Ängste sie nur schlecht kennen“.
Adrian Kammerer: Der dominikanische Drittorden. Studien zum deutschsprachigen Raum im 15. und frühen 16. Jahrhundert (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens, Neue Folge, Bd. 28). Berlin / Boston 2024
Edoardo Mattei: Dominican Laity (Original 2019, Übersetzung von Ruth Henderson 2024, independently published), erhältlich über Amazon
Die Laien: Nur Anhängsel oder organischer Teil der Dominikanischen Familie? (erschienen in „Frauen und Männer im Dominikanerorden – Geschichte – Spiritualität – aktuelle Projekte“, Hrsg. Thomas Eggensperger/Ulrich Engel, Mainz [1992])
Die Regel und das Direktorium der Laiengemeinschaften im Orden des Heiligen Dominikus. Ordensprovinz Teutonia (Manuskriptdruck), Düsseldorf o. J. [1989]. Anhang (29-33): V. de Couesnongle.
und zudem als ersten Überblick:
„Dominikanische Laiengemeinschaften“, Artikel auf Wikipedia:
Dominikanische Laiengemeinschaften – Wikipedia
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